Was muss ich bei einer Krankmeldung beachten?
Das sollten Sie über Krankschreibungen wissen
"Ohne Tun kein Lohn". Dieser althergebrachte Grundsatz erfährt im Arbeitsrecht eine Ausnahme. So regelt das Entgeltfortzahlungsgesetz die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Arbeitnehmer vollzeit-, teilzeit- oder geringfügig beschäftigt ist. Da die Krankmeldung den Nachweis der Arbeitsunfähigkeit erfordert und diese im Regelfall nur durch eine ärztliche Arbeitsfähigkeitsbescheinigung geführt werden kann, braucht der Arbeitnehmer seine Krankmeldung nicht selbst zu formulieren. Soweit er den Arbeitgeber am Tag seiner Erkrankung informiert, genügt es, ihm schriftlich (Fax, email, SMS), mündlich oder telefonisch mitzuteilen, dass man sich krank fühlt und arbeitsunfähig ist. Die Formulierung ist einfach. Maßgebend ist der Nachweis der Erkrankung.
Wann ist der Arbeitnehmer krank?
Krankheit und Arbeitsunfähigkeit sind verschiedene Begriffe. Der Entgeltfortzahlungsanspruch setzt voraus, dass der Arbeitnehmer arbeitsunfähig ist. Nicht jede Erkrankung führt jedoch zur Arbeitsunfähigkeit. Vielmehr kommt es darauf an, dass der Arbeitnehmer gerade wegen seiner Erkrankung die Arbeitsleistung nicht erbringen kann. Ein Büromensch ist arbeitsfähig, wenn er trotz eines verstauchten Fußes schmerzfrei sitzend arbeiten kann. Leidet er hingegen an einer Bindehautentzündung der Augen und kann nicht am PC arbeiten, ist er arbeitsunfähig.
Die Arbeitsunfähigkeit muss der alleinige Grund sein, die Arbeitsleistung nicht erbringen zu können. War der Arbeitnehmer bereits vorher aus anderen Gründen von der Arbeitspflicht befreit (Urlaub, Elternzeit, arbeitsfreier Tag) hat er keinen Entgeltfortzahlungsanspruch wegen Arbeitsunfähigkeit.
Nach § 9 BurlG werden nachgewiesene Tage der krankheitsbedingten Arbeitsverhinderung auf den Erholungsurlaub nicht angerechnet. Erkrankt der Arbeitnehmer im Urlaub, muss er den Arbeitgeber informieren und ein Attest vorlegen.
Ab wann besteht Anspruch auf Lohnfortzahlung?
Anspruch auf Lohnfortzahlung besteht erstmals, wenn das Arbeitsverhältnis vier Wochen ununterbrochen bestanden hat (§ 3 EntgeltfortzahlungsG). Besteht das Arbeitsverhältnis erst für kürzere Zeit, muss der Arbeitnehmer Krankengeld bei seiner Krankenkasse beantragen. Erkrankt der Arbeitnehmer innerhalb der Wartezeit und dauert die Arbeitsunfähigkeit über die Wartezeit hinaus an, entsteht der Entgeltfortzahlungsanspruch ab der fünften Woche für die gesamte Dauer von sechs Wochen (BAG AZR 476/98).
Für die Dauer der Erkrankung erhält der Arbeitnehmer das Entgelt, das er normalerweise in dieser Zeit verdient hätte. Überstunden werden nur berücksichtigt, wenn sie regelmäßig anfallen.
Welche Informationspflichten haben Arbeitnehmer?
Der Arbeitnehmer muss seine Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich seinem Arbeitgeber mitteilen. Der Arbeitgeber hat Anspruch, sofort informiert zu werden, wenn der Mitarbeiter nicht zur Arbeit erscheint. Dauert die Arbeitsunfähigkeit voraussichtlich länger als drei Tage, ist spätestens am darauffolgenden Arbeitstag ein ärztliches Attest vorzulegen (§ 5 II Entgeltfortzahlungsgesetz). Der Arbeitgeber kann das Attest bereits für den ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit verlangen. Verlängert sich die Arbeitsunfähigkeit über die ärztlich bescheinigte Krankschreibung hinaus, muss der Arbeitnehmer eine neue ärztliche Bescheinigung vorlegen. Wird kein Attest vorgelegt, darf der Arbeitgeber die Lohnfortzahlung verweigern.
Wie ist der Nachweis der Arbeitsunfähigkeit zu führen?
Der Arbeitnehmer muss Arbeitgeber und Krankenkasse ein ärztliches Attest vorlegen (§ 5 EntgeltfortzahlungsG). Die ordnungsgemäß ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Arztes ist der gesetzlich ausdrücklich vorgesehene Nachweis für das Vorliegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Endet die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit, muss der Arbeitnehmer bei Fortdauer seiner Arbeitsunfähigkeit lückenlos ein weiteres Attest vorlegen.
Das Attest hat hohen Beweiswert. Sofern der Arbeitgeber keine begründeten Zweifel hat, darf er die Arbeitsunfähigkeit nicht anzweifeln. Der Beweiswert kann allerdings erschüttert werden, wenn die Bescheinigung mehr als zwei Tage zurückdatiert ist oder das Attest nicht auf einer Untersuchung durch den Arzt, sondern allein auf den vom Arbeitnehmer erteilten Informationen beruht. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer die Erkrankung ankündigt (blauer Montag), häufig kurzzeitig erkrankt ist, Schwarzarbeit verrichtet oder zu Hause körperlich aktiv ist oder das Attest von einem Arzt ausgestellt wurde, der durch eine Vielzahl von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auf sich "aufmerksam" gemacht hat. Kann der Arbeitnehmer krankheitsbedingt keinen Arzt aufsuchen, kann er seine Arbeitsunfähigkeit auch durch andere Mittel nachweisen (BAG NJW 1998, 2762).
Medizinischer Dienst klärt Verdachtsfälle
Der Arbeitgeber kann die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung überprüfen lassen (§ 275 SGB V). Hat er Zweifel, kann er ein Gutachten durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen beantragen. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, der Untersuchung Folge zu leisten.
Darf der Arbeitgeber einen Detektiv beauftragen?
Hat der Arbeitgeber den Verdacht, dass sein Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeit nur vortäuscht und "krankfeiert" kann er geeignete Maßnahmen ergreifen, um die Gegebenheiten zu überprüfen. In Ausnahmefällen kann er einen Detektiv beauftragen. Dabei riskieren Arbeitgeber eine Gratwanderung. Da er damit in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers an der Wahrung und Achtung seiner Privatsphäre eingreift, braucht er eine begründete Vermutung für ein schwerwiegendes Fehlverhalten (BAG 8 AZR 1007/13). Nur dann sind eventuelle Erkenntnisse verwertbar.
Was ist bei Erkrankungen im Ausland?
Erkrankt der Arbeitnehmer im Ausland, hat das Attest eines ausländischen Arztes den gleichen Beweiswert wie ein im Inland ausgestelltes Attest. Wichtig ist, dass dabei zwischen der Erkrankung und einer darauf beruhenden Arbeitsunfähigkeit unterschieden wird. Auch hier kann der Nachweis durch andere Beweismittel als ein Attest geführt werden. Wurde die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von einem Arzt im EU-Ausland ausgestellt und ist dieser Arzt vom Sozialversicherungsträger dieses Mitgliedstaates anerkannt, ist der Arbeitgeber an dieses Attest gebunden (Art. 18 VO-EWG 574/72). Kehrt der Arbeitnehmer ins Inland zurück, muss er sofort Arbeitgeber und Krankenkasse informieren.
Welche Konsequenzen drohen beim "Blaumachen"?
Kann nachgewiesen werden, dass der Arbeitnehmer "blaumacht", kann er nach Abmahnung im Wiederholungsfall ordentlich verhaltensbedingt oder in besonders schwerwiegenden Fällen fristlos gekündigt werden. Auch ist er dem Arbeitgeber gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet. Außerdem ist der Arbeitgeber berechtigt, die Lohnfortzahlung zu verweigern (§ 7 EntgeltfortzahlungsG).
Welche Verhaltenspflichten haben Arbeitnehmer?
Der Arbeitnehmer ist aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber verpflichtet, sich "heilungsfördernd" zu verhalten. Tut er dies nicht, verkürzt sich der Lohnfortzahlungsanspruch um den Zeitraum, durch den sich der Heilungsprozess wegen des Pflichtenverstoßes verlängert (LAG Hamm BB 1992, 279). Dies kann der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer ärztliche Anweisungen nicht befolgt oder den Heilungsprozess durch körperliche Aktivitäten beeinträchtigt.
Dauer der Entgeltfortzahlung
Der Arbeitnehmer kann krankheitsbedingt für die Dauer von längstens sechs Wochen Entgeltfortzahlung beanspruchen. Danach zahlt die Krankenkasse Krankengeld. Mehrere jeweils aufeinanderfolgende Erkrankungen gelten als wiederholte Erkrankung, für die jeweils maximal sechs Wochen Entgeltfortzahlungsanspruch besteht (§ 3 EntgeltfortzahlungsG).
Erkrankt der Arbeitnehmer während der ersten Arbeitsunfähigkeit an einer weiteren Erkrankung, erhält längstens für sechs Wochen Entgeltfortzahlung.
Bei einer Fortsetzungserkrankung, die auf demselben Leiden beruht, entsteht sein Lohnfortzahlungsanspruch für sechs Wochen erneut, wenn er vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht wegen derselben Krankheit arbeitsunfähig war. Andernfalls ist sein Lohnfortzahlungsanspruch verbraucht. In diesem Fall kann er Krankengeld bei der Krankenkasse beantragen.