Kann ich einen gerade abgeschlossenen Kredit widerrufen?
Das sollten Sie zum Widerruf eines Kredites wissen
Geld ist verführerisch. Auch Kredite sind Geld. Wer den Abschluss eines Kreditvertrages bereut, kann versuchen, den gerade abgeschlossenen Kredit zu widerrufen. Doch so ganz einfach ist es nicht. Es kommt drauf an, um was für eine Art von Kreditvertrag es sich handelt. Die Materie ist komplex.
1. AGB lesen. 2. Juristischen Rat einholen
Wer die Frage für den eigenen Fall beantworten möchte, sollte in einem ersten Schritt die Vertragsbedingungen seines gerade abgeschlossenen Vertrages studieren. Ist der Vertragspartner seriös, ist dort genau geregelt, ob und wann der Vertrag widerrufen werden kann. Im Zweifel sollte angesichts der mit einem Widerruf verbundenen Fristen anwaltlicher Rat oder die Information einer Verbraucherschutzinstitution eingeholt werden.
Was ist der Unterschied zwischen Kündigung und Widerruf?
Verträge jedweder Art lassen sich kündigen oder unter bestimmten Voraussetzungen widerrufen.
Kündigung: Der Unterschied zum Widerruf besteht darin, dass die Kündigung den laufenden Vertrag zum Ablauf einer bestimmten Kündigungsfrist beendet. Für den Zeitraum der Laufzeit des Vertrages müssen beide Vertragspartner ihre jeweils vereinbarten Leistungen erbringen. Handelt es sich dabei um einen Verbraucherkreditvertrag, ist dieser regelmäßig ganz oder teilweise kündbar, ohne dass der Darlehensnehmer eine Frist einzuhalten hat. Wird der Kredit von einer Bank gewährt, kann eine Kündigungsfrist von maximal einem Monat vereinbart werden (§ 500 I BGB).
Widerruf: Im Unterschied zur Kündigung beendet der Widerruf den Vertrag sofort bzw. führt dazu, dass ein abgeschlossener Vertrag von vornherein als unwirksam betrachtet wird. Es ist so, als wäre der Vertrag niemals abgeschlossen worden. Der Widerruf dient dazu, es dem Verbraucher zu ermöglichen, einen vielleicht unüberlegten Vertragsabschluss wieder rückgängig machen zu können, ohne dass er daraus Konsequenzen befürchten muss.
In welchen Fällen kann ein gerade abgeschlossener Kreditvertrag widerrufen werden?
Das Gesetz räumt dem Darlehensnehmer ein Widerrufsrecht ein, sofern es sich um einen Verbraucherdarlehensvertrag handelt (§ 495 BGB). Ein Verbraucherdarlehensvertrag ist ein Darlehensvertrag zwischen einem Unternehmer (meist eine Bank oder ein gewerblich tätiger Geldverleiher) als Darlehensgeber und einem Verbraucher als Darlehensnehmer (§ 491 BGB I). In einem solchen Vertrag gewährt der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer einen Kredit. Ist der Darlehensnehmer Kaufmann (also kein Verbraucher), besteht die Möglichkeit des Widerrufs nicht (Ausnahme Existenzgründer siehe unten).
Wie ist das bei Immobiliendarlehensverträgen?
Auch Immobiliendarlehensverträge sind Verbraucherdarlehensverträge, sofern der Darlehensnehmer Verbraucher ist. Bei einem Immobiliendarlehensvertrag ist es zusätzlich so, dass der Darlehensvertrag durch eine Grundschuld auf einer Immobilie abgesichert wird. Für den Verbraucher besteht das Risiko darin, dass er möglicherweise beim Notar zur Absicherung eines beantragten Kredits eine kostenträchtige Grundschuld beurkunden lässt. Erschließt er sich dann, den Immobiliendarlehensvertrag zu widerrufen, trägt er die Kosten der Beurkundung beim Notar und möglicherweise die gerichtlichen Eintragungskosten der Grundschuld im Grundbuch. Der Widerruf sollte also wohl überlegt sein.
Hat der Darlehensnehmer zudem einen Kaufvertrag über die Immobilie notariell beurkundet und widerruft dann den Immobiliendarlehensvertrag, kann er den notariellen Kaufvertrag nur auflösen, wenn es sich im Vertrag für diesen Fall ein Rücktrittsrecht vorbehalten hat. Ein Widerruf ist ausgeschlossen.
Was ist bei verbundenen Geschäften?
Kreditverträge werden oft in Verbindung mit einem anderen Geschäft abgeschlossen. Es handelt sich dann um einen "verbundenen" Vertrag (§ 358 BGB). Beispiel: Kauf eines PKW, Finanzierung über die Hausbank des PKW-Herstellers. Widerruft der Darlehensnehmer in diesem Fall den Darlehensvertrag, braucht er auch den PKW nicht abzunehmen. Der Widerruf des Kreditvertrages bewirkt, dass auch der Kaufvertrag für den PKW unwirksam wird.
Wird eine Immobilie über Kredit finanziert, handelt es sich nur dann um ein verbundenes Geschäft, wenn der Darlehensgeber selbst auf der Verkäuferseite steht, beispielsweise die Bank ein von ihr ersteigertes Grundstück verkauft und zugleich finanziert (§ 358 III S. 3 BGB).
In welchen Fällen genau ein solcher verbundener Vertrag vorliegt, ist in § 358 III BGB geregelt. Typisches Merkmal ist die wirtschaftliche Einheit beider Verträge, bei denen das Darlehen der Finanzierung des anderen Vertrages dient. Angesichts der komplexen Materie empfiehlt sich, im Zweifel unbedingt juristischen Rat einzuholen.
Was ist beim Widerruf zu beachten?
Das Widerrufsrecht ist in § 355 BGB geregelt. Danach ist der Verbraucher nicht mehr an den Kreditvertrag gebunden, wenn er den Vertragsabschluss widerruft. Der Widerruf ist gegenüber dem Darlehensgeber zu erklären. Der Wille zum Widerruf muss eindeutig erklärt werden. Jedes "vielleicht" schadet. Der Widerruf braucht nicht begründet zu werden. Um die Frist zu wahren, genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt regelmäßig mit dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Die Frist verlängert sich auf 12 Monate und 14 Tage, sofern die Bank den Verbraucher nicht über sein Widerrufsrecht belehrt hat. Die Widerrufsfrist wird auch verlängert, sofern es die Bank versäumt hat, den Darlehensnehmer über die Modalitäten des Kreditvertrages zu informieren. Außerdem muss der Kreditvertrag schriftlich formuliert werden. Insbesondere muss er folgende Angaben enthalten: ...
+ Nettodarlehensbetrag
+ Gesamtbetrag aller Tilgungen, Zinsen und sonstigen Kosten
+ Rückzahlungsmodalitäten
+ Nominalzinssatz
+ Sonstige Kosten des Darlehens
+ Effektiver Jahreszins (dieser berücksichtigt im Gegensatz zum Nominalzins sämtliche anfallenden Darlehenskosten)
+ Eventuelle Kosten einer Restschuldversicherung.
Sofern der Darlehensvertrag diesen Formerfordernissen nicht entspricht, ist der Vertrag nichtig. Ein Widerruf erübrigt sich in diesem Fall. Allerdings bleibt der Darlehensvertrag dennoch wirksam, falls der Darlehensnehmer den Darlehensbetrag entgegennimmt (§ 494 BGB mit weiteren Details).
In welchen Fällen ist ein Widerruf nicht möglich?
Das Gesetz erlaubt den Widerruf nicht (§ 494 II BGB), ....
+ wenn der Nettodarlehensbetrag weniger als 200 Euro beträgt.
Der Nettodarlehensbetrag ist der Betrag, den die Parteien als Darlehensbetrag vereinbart haben. Er beinhaltet nicht Zinsen und sonstige Kosten für die Gewährung des Darlehens (Art. 247 § 3 II EGBGB).
+ wenn der Darlehensnehmer das Darlehen innerhalb von 3 Monaten zurückzahlen muss,
+ bei Arbeitgeberdarlehen (Zinssatz muss unter marktüblichen Sätzen liegen)
+ bei einem Dispositionskredit mit einer Laufzeit bis zu 3 Monaten,
+ wenn der Darlehensgeber kündigen kann, ohne eine Frist einzuhalten.
Widerruf durch Existenzgründer
Eigentlich erlaubt das Gesetz den Widerruf von Kreditverträgen nur bei Verbraucherdarlehensverträgen. Ist der Verbraucher ein Einzelunternehmer, der das Darlehen für die Aufnahme einer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit erhält, kann er als Existenzgründer das gesetzliche Widerrufsrecht für Verbraucher in Anspruch nehmen. Das Widerrufsrecht besteht allerdings nicht, wenn der Nettodarlehensbetrag 75.000 EUR übersteigt (§ 512 BGB).
Widerrufsfrist versäumt? Kündigung möglich?
Wurde die Widerrufsfrist versäumt, kann der Darlehensnehmer den Darlehensvertrag immer noch ordentlich zum nächst möglichen Kündigungstermin kündigen. Auch dazu kommt es auf die Art des Kreditvertrages an. Details stehen in § 489 BGB.