Der Zugang des Kündigungsschreibens bestimmt die Kündigungsfristen

Der Zugang des Kündigungsschreibens bestimmt die Kündigungsfristen

Die Einhaltung der Kündigungsfristen ist auch im Arbeitsrecht nur die halbe Miete. Zusätzlich kommt es entscheidend auf den Zugang des Kündigungsschreibens an! Nur wenn das Kündigungsschreiben der Gegenseite fristgerecht zugeht, wird die Kündigung wirksam. Wird die Frist versäumt, ist die Kündigung null und nichtig. Der Zeitpunkt, in dem die Kündigung der Gegenseite zugeht, ist also entscheidend für den Beginn der Kündigungsfrist. Die Problematik des "Zugangs" ist vielschichtig. Sie birgt viele Unsicherheiten.

Aus Sicht des Arbeitnehmers bestimmt der Zugang des Kündigungsschreibens die Dreiwochenfrist zur Einreichung der Kündigungsschutzklage. Aus Sicht des Arbeitgebers entscheidet die Einhaltung der Frist, ob der Arbeitgeber wirksam gekündigt ist oder eventuell noch weiter beschäftigt werden muss.

 

Grundsatz


Die Kündigung gilt als zugegangen, wenn derjenige, an den sie gerichtet ist, unter gewöhnlichen Umständen Kenntnis nehmen kann (§ 130 BGB). Das Gesetz unterscheidet den Zugang gegenüber abwesenden und anwesenden Personen.

 

Zugang unter Anwesenden


Der Zugang unter anwesenden Personen bereitet wenig Probleme. Übergibt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer (oder umgekehrt) persönlich die Kündigungserklärung, ist sie mit der Übergabe zugegangen und damit wirksam. Auch die persönliche Übergabe durch einen Boten genügt. Dieser ist Zeuge oder lässt sich die Übergabe quittieren.

 

Zugang unter Abwesenden


Problematisch ist der Zugang unter abwesenden Personen. In diesem Fall verschickt der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer die Kündigung meist mit der Post. Dann kommt es auf den Postzugang an. Allein die Absendung des Schreibens genügt nicht. Ebenso wenig kommt es auf das Datum des Poststempels an. Das Datum ist allenfalls Beweis dafür, wann das Schreiben zur Post gegeben wurde. Verzögerungen (z.B. Poststreik) gehen zu Lasten des Erklärenden.

 

Zugang nur bei zumutbarer Möglichkeit der Kenntnisnahme


Eine Kündigungserklärung unter Abwesenden geht zu und wird wirksam, wenn sie in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist und dieser unter gewöhnlichen Umständen davon Kenntnis nehmen kann. Auf die tatsächliche Kenntnisnahme kommt es nicht an. Es ist auch nicht maßgebend, dass der Empfänger theoretisch hätte Kenntnis nehmen können.

Entscheidend ist, wann der Empfänger von der Kündigung hätte Kenntnis nehmen können, nicht dagegen, wann er tatsächlich Kenntnis genommen hat (BAG DB 1993, 487). Wird die Kündigungserklärung in den Briefkasten eingeworfen, geht sie zu, wenn und sobald mit der Leerung durch den Empfänger zu rechnen ist. Wirft der Arbeitgeber am letzten Tag der Kündigungsfrist eine Kündigungserklärung spät abends um 23 Uhr in den Briefkasten des gekündigten Arbeitnehmers, so geht sie erst am nächsten Tag zu. Sie ist verfristet, da üblicherweise Briefkästen um 23 Uhr abends nicht mehr geleert werden. Gleiches ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer sein Kündigungsschreiben erst nachts oder nach Geschäftsschluss in den Briefkasten des Unternehmens einwirft. Dieses geht dann erst am nächsten Morgen nach Beginn der Büro- oder Geschäftszeit zu (BGH, Urteil vom 5. 12. 2007 - XII ZR 148/05).

 

Vorsicht an Heilig Abend und Silvester


Eine ähnliche Situation besteht an Heiligabend oder Silvester. Wirft der Arbeitnehmer seine Kündigungserklärung beispielsweise um 14 Uhr nach Betriebsschluss in den Unternehmensbriefkasten ein, kann er nicht mehr damit rechnen, dass der Arbeitgeber Kenntnis nimmt. Die Kündigungserklärung wäre dann verfristet.

Auch der Arbeitgeber geht ein Risiko ein, wenn er am Tag vor Silvester die Kündigung mit der Post verschickt und die Post das Kündigungsschreiben am späten Silvesternachmittag in den Briefkasten des Arbeitnehmers einwirft. Auch dann kann der Arbeitgeber nicht mehr damit rechnen, dass der Arbeitnehmer noch Kenntnis nimmt. Der Arbeitnehmer könnte Verfristung einwenden. Um sicher zu gehen, sollte die Kündigungserklärung frühzeitig verschickt oder persönlich übergeben werden.

 

Zugang im Urlaub oder bei Krankenhausaufenthalt


Ist der Empfänger des Kündigungsschreibens vorübergehend infolge Urlaub oder Krankenhausaufenthalt abwesend, geht die Kündigungserklärung mit der Zustellung und nicht erst mit der Rückkehr und Kenntnisnahme zu (BAG DB 1989, 2619). Der Einwurf in den Hausbriefkasten genügt.

Selbst wenn ein Arbeitgeber von der Abwesenheit des Arbeitnehmers wusste und dessen Abwesenheit für die Kündigung bewusst ausnutzt, hindert dies den Zugang nach dem Grundsatz treuwidrigen Verhaltens nicht (BAG Urt.v. 24.6.2004, 2 AZR 461/03). Der Arbeitnehmer kann nur vorbeugen, indem er einen Dritten beauftragt, seinen Posteingang regelmäßig zu überprüfen und ihn zu informieren. 

 

Zugang gegenüber einem Empfangsboten


Der Zugang ist auch gewährleistet, wenn das Kündigungsschreiben in der Wohnung einem Familienangehörigen oder einem im Betrieb beschäftigten Mitarbeiter ausgehändigt wird. Idealerweise erfolgt die Übergabe gegen Quittierung und namentliche Benennung des Empfangsboten.

 

Ersatz des Zugangs durch Zustellung


Wer sicher gehen will, dass die Kündigungserklärung tatsächlich zugeht, kann sie persönlich übergeben oder einen Boten mit der Übergabe beauftragen. Die Zustellung kann auch durch Beauftragung eines Gerichtsvollziehers erfolgen (§ 132 BGB).

Ein Einschreiben geht nicht schon mit dem Einwurf des Benachrichtigungsschreibens zu, sondern erst, wenn das Schreiben abgeholt wird (BAG DB 1986, 652). Der Empfänger ist nicht verpflichtet, das Schreiben abzuholen. Anders liegt der Fall, wenn der Empfänger in Erwartung des Kündigungsschreibens das Schreiben trotz Benachrichtigung nicht abholt (BAG DB 1986, 2336). Fälle dieser Art sind naturgemäß mit Beweisproblemen verbunden.

Das Einwurfeinschreiben, bei dem der Zusteller den Einwurf des Schreibens in den Briefkasten des Empfängers dokumentiert, dürfte als normale Briefsendung zu beurteilen sein (OLG Saarbrücken, Urteil v. 20. 3. 2007 - 4 U 83/06).

 

Wer muss was beweisen?


Derjenige, der sich auf den Zugang des Schreibens beruft, muss den Zugang beweisen (BGH NJW 1996, 2035). Es genügt, wenn der Empfänger behauptet, er habe das Schreiben überhaupt nicht oder verspätet erhalten. Der Erklärende kann nur dagegenhalten, dass er beweist, dass er das Schreiben abgeschickt hat und das Schreiben fristgerecht zugestellt wurde. Sorgfältiges Vorgehen zahlt sich aus, Nachlässigkeiten rächen sich.

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